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Fabian Kremser

Das metabolische Profil

«Was hilft mir ein metabolisches Profil? Ist das nicht nur was für Profis? Ich kann doch auch einfach eine Diagnostik zuhause machen, dann weiss ich, ob es vorwärts geht?»

 

Drei Sätze und vier Aussagen / Fragen, die uns nicht selten zugetragen werden. Hier wollen wir euch das metabolische Profil näher bringen und euch erklären, warum es gerade für den Breitensport etwas vom Wichtigsten ist.

Die Problematik einzelner Werte

 

Ermitteln wir in einem Leistungstest oder in einer sehr einfachen Diagnostik einen einzelnen Schwellenwert, wird dieser unser Massstab für den Fortschritt sein.

 

Nehmen wir beispielsweise den noch immer verbreiteten FTP-Test und wiederholen ihn nach einer gewissen Zeit, bestehen drei Möglichkeiten: unsere FTP hat sich entweder noch oben, nach unten oder gar nicht verschoben. Geht der Trend nach oben, werden wir denken, dass unser Training gut war und weitergehen. Bleibt sie gleich oder geht sie sogar nach unten, wird man der Ansicht sein, dass das Training nicht gut oder zu wenig war.

 

Egal, welche der drei Optionen wir als Ergebnis erhalten: der einzige Schluss, den man daraus zieht wird sein, mehr und intensiver zu trainieren.

 

Was wir dabei jedoch auf keinen Fall ermitteln können, sind die Körperfunktionen, welche zum Erbringen der Leistung notwendig sind. Natürlich: Man findet im Internet viele Aussagen wie: «bei 56-75% der FTP befindet sich der Bereich der Aeroben Ausdauer, der Körper verwendet dort hauptsächlich Fett als Energiequelle».

 

Das Problem mit solchen Behauptungen ist, dass sie zwar einem Forschungsergebnis entspringen, ihnen jedoch eigentlich immer nur eine oder eine sehr kleine Menge an Messungen zugrunde liegen.

 

Wir machen also unseren Trainingsfortschritt und die Veränderung unserer Leistungsbereiche von einem einzelnen Wert abhängig, der zudem enorm von der Tagesform abhängig ist und fast immer auf Daten basiert, die nichts mit uns individuell zu tun haben. Unser Gehirn macht anschliessend das, was es am besten kann: es bestätigt uns, dass sich das für uns «richtig» anfühlt. Also muss es stimmen.

 

Die Realität sieht leider anders aus.

 

Das Individuum im Fokus

 

Plaudern wir aus dem Nähkästchen. Seit der Eröffnung unseres Labors 2021 durften wir viele Athletinnen und Athleten bei uns begrüssen und sie nach dem höchsten Standard der Diagnostik testen. Was denkt ihr, bei wie vielen davon die oben zitierte Aussage bezüglich Leistung und Stoffwechsel zutraf?

 

Nicht bei einer einzigen Person.

 

Was uns zunächst etwas ratlos dastehen liess, erwies sich mit der Zeit aber als Grundlage für unseren heutigen Standard, denn uns wurde schnell klar: mit pauschalen Ideen lässt sich bei der individuellen Athletin / dem individuellen Athleten nicht wirklich in die Tiefe arbeiten. Dies führte zur Entwicklung unseres metabolischen Profils.

 

Das metabolische Profil: Aufbau und Inhalt

 

Das folgende Bild zeigt eine Übersicht unseres metabolischen Profils:

Einfach ausgedrückt handelt es sich dabei um eine Matrix, in der vier Hauptaspekte der Leistungsphysiologie dargestellt werden. Doch nicht nur das: sie stehen zudem in der direkten Verbindung mit den verschiedenen Co-Faktoren und sekundären Daten, die dabei helfen können, diese Werte aktiv zu nutzen. Wir stellen diese Eckpunkte genauer vor, bemühen uns gleichzeitig aber darum, alles so einfach wie möglich zu halten. Verzeiht uns also, wenn nicht alles zu 200% dem wissentschaftlichen Wortlaut der Lehrbücher entspricht.

 

VT 1: Der Beginn der messbaren Anstrengung

 

VT 1 steht für «Ventilatory Threshold 1», zu deutsch «Ventilatorische Schwelle 1» oder der Einfachheit halber «Aerobe Schwelle». Die letzte Bezeichnung ist jedoch etwas irreführend, da sie nur bedingt mit dem Stoffwechsel in Zusammenhang steht. Vielmehr markiert die VT 1 den präzisen Punkt auf einer linear verlaufenden Intensitätssteigerung, ab dem die erbrachte Leistung für den Körper erstmals eine klar identifizierbare Anstrengung darstellt. Dies geht Hand in Hand mit verschiedenen, metabolischen Funktionen. Art und Intensität der entsprechenden Reaktionen können jedoch stark variieren, weshalb als Standard die muskuläre Belastung sowie ihre Auswirkung auf die Atmung und die kardiovaskuläre Arbeit als Validierungspunkte gesetzt werden.

 

Die VT 1 markiert zudem den Beginn des muskulären Stresses. Sie definiert damit das Ende des Grundlagenbereiches und ist ausserdem ein Wert, der in direktem Zusammenhang mit der Menge und Qualität (Gesundheit) der Muskelzellen und -Masse steht.

 

VT 2: Der Übergang zum Maximum

 

Die VT 2 wird, ebenfalls vereinfacht, auch die «Anaerobe Schwelle» als Pendant zur VT 1 genannt. Auch hier bestehen viele Fehlannahmen. Die am häufigsten verbreitete ist, dass an der VT 2 der Körper in den anaeroben Stoffwechsel übergeht, eine weitere setzt die VT 2 mit der FTP gleich.

 

Tatsächlich ist es sehr von der zellulären Leistungsfähigkeit und -Gesundheit abhängig, ob der Körper bei der entsprechenden Intensität noch in der Lage ist, Sauerstoff für die Energiebereitstellung zu verwenden. Es kommt oft vor, dass dies schon weit vor dem Erreichen der VT 2 nicht mehr der Fall ist.

 

Die FTP hingegen zeigt lediglich ein Leistungspotenzial über eine gewisse Zeit an, was je nach Trainingsstand und -Fokus zwar in der Nähe der VT 2 liegen kann, jedoch in keinem Fall damit gleichgesetzt werden darf.

 

Sehr vereinfacht ausgedrückt zeigt die VT 2 den Punkt an, ab dem der Körper nicht mehr in der Lage ist, den eingeatmeten Sauerstoff noch komplett aufzunehmen. Auch dies wird jeweils anhand von vier spezifischen Werten direkt und «live» validiert.

 

Wichtig: «messbar weniger Sauerstoff» aufzunehmen bedeutet nicht, dass ab diesem Punkt kein Sauerstoff mehr in den Körper kommt. Die VO2Max z.B. liegt meistens noch über der VT 2 und je nach Trainingsniveau einer Athletin oder eines Athleten ist es durchaus möglich, dass die FTP noch über der VT 2 liegt. Dieser Sachverhalt macht es so einfach, die beiden Werte zu verwechseln.  

 

FatMax: die maximale Fettoxidation und maximale, Aerobe Zellkapazität

 

Die FatMax markiert jenen Punkt, an dem der Körper prozentual und auch auf die Menge bezogen die meiste Energie direkt aus Fetten gewinnen kann. Da dies in jedem Fall und ausschliesslich unter der Verstoffwechselung von Sauerstoff passieren kann, zeigt sie gleichzeitig die Leistung, bei welcher die Körperzellen am aktivsten arbeiten.

 

Diese Verwendung von Sauerstoff steht in einem direkten Zusammenhang mit der Stressbelastung. Somit wird die FatMax auch zum Indikator für den allgemeinen Erholungszustand sowie die Fähigkeit, Stresshormone und -Reaktionen zu verarbeiten.

 

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass eine hohe FatMax auf eine gute Basis, eine gute Ausdauerleistung sowie einen effizient arbeitenden Stoffwechsel hinweist.

 

Gleichzeitig ist jedoch nicht nur die Leistung an der FatMax wichtig, sondern auch die Menge an Fetten, die aktiv zur Energiegewinnung verwendet werden kann sowie die Menge an Sauerstoff, die für jene Menge an Fetten aufgenommen und verarbeitet wird. Dieses Fett-zu-Sauerstoff-Verhältnis («FOR», Fat-to-Oxygen-Ratio) bildet eine der Variablen bei der Berechnung der Sauerstofftoleranz und dem Bewerten des Oxidativen Stress-Index OS-I.

 

Ebenso von Bedeutung ist die Art des Verlaufs, in dem sich die Fettoxidation unter Belastung entwickelt: anhand der Visualisierung des Stoffwechsels lassen sich bereits auf einen Blick mögliche Überbelastungen oder vorhandene Stressoren identifizieren, die dann im Trainingsaufbau berücksichtigt werden können.

 

VO2Max: Die Maximale Sauerstoff-Aufnahmekapazität

 

Die VO2Max ist jener Wert, den man in aller Munde findet, der jedoch abermals sehr gerne falsch verstanden wird.

 

Kurz gesagt zeigt er an, wie viel Sauerstoff ein Körper aktiv aufnehmen kann. Dies wird in Form einer Fluxrate dargestellt, im Absoluten in mL/min, im relativen in mL/min/kg. Das heisst also: die VO2Max zeigt an, wie viel Milliliter Sauerstoff der Körper gesamt aufnehmen kann, oder eben in Bezug auf das Körpergewicht.

 

Angezeigt wird der Wert traditionell als relativer, also auf das Körpergewicht bezogen. Nur: was sagt er aus?

 

Wie wir nämlich in vielen Tests sehen konnten, ist die aufgenommene Menge an Sauerstoff für die Ausdauerleistung zwar wichtig, jedoch nicht das A und O. Die Theorie, dass eine möglichst hohe VO2Max das Ziel aller Ziele ist, stimmt nur dann, wenn dieser Sauerstoff auch verwendet werden kann. Und das ist viel mehr von der zellulären Gesundheit und Stoffwechselfähigkeit abhängig als von der Menge an O2, die wir in den Körper holen können.

 

Tatsächlich kann eine sehr hohe VO2Max dem Körper sogar schaden: sind die Zellen beispielsweise gleichzeitig nicht in der Lage, den Sauerstoff zu verwenden, wird er dennoch in den Körper geholt und kann dort oxidativen Stress auslösen.

 

Vielmehr zeigt uns die VO2Max unser Ausdauerpotenzial auf, ähnlich dem Tank eines Autos: je grösser dieser ist, desto weiter kann man in der Theorie fahren, jedoch nur, wenn der Motor mit der zugelieferten Menge optimal funktioniert.

 

Das bedeutet zudem, dass die VO2Max nicht nur als relative Zahl wichtig ist. Hier hilft sie uns, ganz allgemein das Potenzial zu bewerten. Vielmehr ist sie auch als absoluter Wert eine wichtige Grösse, da sie hier (wie bei der VT1) in einem direkten Zusammenhang mit der Menge unserer Skelettmuskelmasse, ihrer Gesundheit und den aktiven Zellen steht.

 

Die Arbeit mit dem metabolischen Profil

 

Im Training ist die Arbeit mit dem metabolischen Profil eine der objektivsten Methoden, körper- und athletenspezifisch zu arbeiten. Während wir beim regelmässigen Bestimmen einer einzelnen Schwelle wie schon erwähnt immer nur jenen einzelnen Wert haben, um eine Idee des Trainingsfortschritts zu bekommen, haben wir beim metabolischen Profil gleich mehrere.

 

Als Beispiel: sehen wir, dass die FatMax zwar nicht in g/h angestiegen ist, jedoch bei einer höheren Leistung, ist das ein Trainingsfortschritt. Bleibt die VT1 von einem Test zum anderen bei der gleichen Leistung, geht dabei jedoch die Herzfrequenz nach unten und nimmt der Körper mehr Sauerstoff auf, ist das ein Trainingsfortschritt. Es lässt die Arbeit in eine Tiefe zu, die man mit singularen Tests niemals erreichen kann, was sofort das vorhandene Potenzial einfacher erreichbar macht.

 

Warum brauche ich das als Hobbysportlerin / -sportler?

 

Gerade im Breitensport sind diese Daten von unendlicher Bedeutung, aus mehreren Gründen. Zum einen steigt auch hier das Niveau beständig und es ist unserer Meinung nach keine gute Idee, beim Material in der obersten Liga mitspielen zu wollen, sich bei den direkt auf den Körper und die Gesundheit bezogenen Dingen auf Angaben einer einfachen Uhr zu verlassen.

Zum anderen findet das Training im Hobbybereich noch viel öfter rein nach Gefühl statt, was heisst: der einzige Indikator ist, wie anstrengend sich etwas anfühlt und wie lange unser Körper nach einer Einheit erschöpft ist.

 

Während dies enorm wichtige Dinge sind, die es auch in Topform nach wie vor nicht zu ignorieren gilt, ist es doch so, dass wir hier schlicht nicht wissen können, was wir denn letzten Endes trainieren.

Das bedeutet leider, dass der Sport sehr oft und schnell destruktiv wird und nicht wirklich der Gesundheit zuträglich ist.

 

Wir empfehlen daher grundsätzlich, ein metabolisches Profil erstellen zu lassen und dies nach gegebener Zeit auch zu aktualisieren. Ihr werdet staunen, was ihr damit alles erreichen könnt!

 

Herzlich,

 

Corina

Patrick

Fabian

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